Menschenmassen auf kleinstem Raum. Lebhafte Begegnungen. Ein volles Programm mit beeindruckenden künstlerischen Darbietungen. Aber hinter den Kulissen eines Festivals geschieht zeitgleich noch Etwas ganz Anderes:
Nämlich ein riesiger Verbrauch von verschiedenen Materialien und Gütern. Ein Verbrauch, der in solchem Umfang ohne die Durchführung dieser Veranstaltung nicht existieren würde. Ein Verbrauch von begrenzten Ressourcen und Materialien, die bei einmaliger Verwendung sowie bei Produktion oder Verarbeitung und beim Transport zum Nachteil der Natur fällt, die Ökosysteme verändert und damit den Klimawandel anheizt.
Neben überquellenden Müllcontainern hinterlassen die Menschen einen großen ökologischen Fußabdruck. Ohne sich aber in seinem kulturellen Dasein allzu sehr einzuschränken, sollte der Mensch anfangen, in seinem kleinen Umfeld rücksichtsvoll der Natur gegenüber zu treten, die sonst ohne Umdenken und Anpassung vollkommen zerstört wird.
Das regionale Festival „Die Hildesheimer Wallungen“ ist bereits auf Umweltfreundlichkeit bedacht. So passieren Verhandlungen über eine Lagerstätte der Materialien in der Kulturfabrik Löseke und die Anschaffung von energiesparenden LED-Lichtern. Doch das alleine reicht noch nicht aus für eine klimaneutrale oder zumindest klimafreundliche Veranstaltung.
Welche Maßnahmen sind weiterhin nötig, um das Festival „Die Hildesheimer Wallungen“ noch nachhaltiger zu gestalten?
Was versteht man unter dem Nachhaltigkeitsbegriff?
Nachhaltigkeit bedeutet eine langfristige Erhaltung, die Nutzung und den Fortbestand von Natur, Ressourcen und Gütern, die auch für die nächsten Generationen nutzbar und erfahrbar sein sollen. Dabei gliedert sie sich in die Bereiche der Ökonomie, Ökologie, Soziales und Kultur. Die ökologische Nachhaltigkeit bezieht sich hauptsächlich auf die Natur, also den rücksichtsvollen Umgang und den Schutz von natürlichen, begrenzten Ressourcen, um Ökosysteme aufrecht zu erhalten und zu stärken. Die soziale Nachhaltigkeit zielt auf eine menschenwürdige Existenz durch eine gerechte Arbeitsverteilung und ausreichende Einkommensverteilung ab. Bei ökonomischer Nachhaltigkeit geht es darum, Gewinne bereits umwelt- und sozialverträglich zu erwirtschaften. Die Kultur als vierte Dimension richtet sich an den Erhalt und die weitere Entfaltung der Hildesheimer Wallungen als einen kreativen Ort der Künste und des Beisammenseins.
Nachhaltig handeln kann und sollte man in folgenden Kategorien und Handlungsfeldern: Mobilität, Veranstaltungsort, Beschaffung, Kommunikation, Catering, Abfall, Wasser, Logistik, CO2-Bilanz und Kompensation.
Inwiefern lässt sich nun in den einzelnen Handlungsfeldern agieren?
Ein Handlungsplan für die Kategorien Mobilität, Beschaffung und Kommunikation.
Bei Mobilitätsmaßnahmen geht es vor allem um eine klimafreundlichere An- und Abreise der Gäste sowie das Nutzen von kollektiven Anreisemöglichkeiten, da diese insgesamt weniger CO2-Emissionen verursachen als zum Beispiel eine einzelne Anreise mit dem eigenen Auto.
- Organisation von Mitfahrgelegenheiten über eine eigene Online-Plattform: Die Webseite Green Mobility ist bereits eine Plattform zur Bildung von Mitfahrgelegenheiten, die zusätzlich aber noch separate Rider anbietet, welche ausschließlich für die jeweiligen BesucherInnen des einen Festivals bestimmt sind.
- Bassliner: Der Einsatz von Busreisekollektiven wie zum Beispiel „Bassliner“ gäbe den BesucherInnen mehr Flexibilität zur An- und Abreise bieten, da diese nicht nur auf den öffentlichen Nachverkehr oder die Mitfahrgelegenheiten eingeschränkt sind. So könnten diese die Gäste entweder vom naheliegenden Bahnhof zum Festivalgelände bringen oder aus verschiedenen Städten einsammeln.
- Fahrradtour: Die Anreise zum Festival könnte der Veranstalter der Wallungen durch eine organisierte Fahrradtour als besondere Aktion oder Programmpunkt anbieten. Als guter Nebeneffekt wird dadurch der Reiseverkehr verringert und vor allem geschieht dies ganz klimaneutral.
Allein im Gastronomiebereich entsteht durch die Verwendung von Einweg-Plastikgeschirr eine enorme Menge an Plastikmüll. Als Alternativen zum Einweg-Geschirr:
- Mehrwegbecher: Firmen wie „Cup Concept Mehrwegsysteme GmbH“ bieten an, Mehrwegbecher zu leihen, diese zum Veranstaltungsort zu bringen und im Anschluss wieder zu reinigen.
- Geschirr aus biologisch abbaubaren Materialien wie Holz, Bambus und Zuckerrohr (z.B. von Biofutura)
- Mitbringen von eigenem Geschirr
Bei der Verwendung von Mehrweggeschirr oder eigenem Geschirr sollte die Möglichkeit zur Reinigung geboten werden durch:
- eine Spülstation
- ein mobiler Spülwagen, den man sich inklusive betreuendes Personal mieten kann (B bei Goldstone Rentals GmbH)
- den Einsatz von Becher-/Gläserspülgeräten: Diese würden direkt bei den Gastronomen aufgestellt, um die Becher und Gläser vor dem erneuten Einschenken zu spü
„Die Hildesheimer Wallungen“ möchten als Ideengeber und Ideenzünder funktionieren und eine langfristige Verhaltensänderung des Publikums bewirken. Folgende sind Wege, um das Publikum auf Nachhaltigkeit aufmerksam zu machen:
- Infostände von Umweltorganisationen z.B. Plant for the Planet, Viva con Agua, Oxfam on Tour
- Konkrete Programmpunkte:
- Improtheater mit Nachhaltigkeitsbegriffen,
- Upcycling-Workshops, um Restwertstoffe in neue Produkte zu verwandeln. Ziel dabei ist es, einen Wertewandel im Bereich des regionalen Konsums und der Produktion im Sinne einer globalen Verantwortung für nachhaltige Entwicklung mit allen und für alle Menschen der Gesellschaft zu befö
- Klare Ausschilderung, um den BesucherInnen einen Eindruck davon zu vermitteln, wie viele Bereiche die Nachhaltigkeitsmaßnahmen der Veranstaltung umfassen. Einfache verständliche Beschilderungen und eine einheitliche Linie in der Darstellung (Farbcodes bei Mülltrennung oder ähnliches) wirken am effektivsten. Für das Bannering mit ausführlichen Informationen empfehlen sich Plätze, an denen Wartezeiten zu überbrücken sind wie Kassen, Sanitäranlagen oder Versorgungsstationen.
Während der Veranstaltung konkurrieren eine Menge Informationen, Kommunikatoren und nicht zuletzt die eigentliche Attraktion, das Programm, miteinander. Eine sorgfältige Planung der Vor-Ort-Kommunikation unter Berücksichtigung eben dieser Punkte ist vonnöten.
Credit Points als Alternative bei Personalengpässen?!
Die oben genannten Beispiele beziehen sich hauptsächlich auf eine ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit, in der es zunächst einfacher zu agieren ist als im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit. Denn zur Umsetzung erfordert es in erster Linie mehr Personal, das sich den Ideen annimmt, organisiert sowie den Beschaffungsvorgang abwickelt. Dafür sollte die Arbeit natürlich auch angemessen vergütet werden. Aufgrund knapper finanzieller Mittel ist dies leider nicht immer möglich. Gute Konzepte und Projekte scheitern daher am Personalmangel.
Für eine erfolgreiche Umsetzung steht nun nach den Überlegungen der Maßnahmen, der zweite Schritt bevor:
ein Aufruf zum Aktionismus und damit die Beschaffung von mehr Personal trotz mangelnder Fördermittel.
Als Perspektive für eine Lösung könnte eine Kooperation mit der Universität Hildesheim sein und damit die Einbindung von Studierenden im Planungs- sowie Umsetzungsprozess der „Hildesheimer Wallungen“. Geschehen könnte dies im Rahmen eines Projektsemesters oder Seminars. Aber der Erhalt von Credit Points für das Studium sollte dabei nicht als einziger Anreiz dienen. Studierende würden praxisnah Erfahrungen im Veranstaltungsmanagement sammeln. Für eine erfolgreiche und langfristige Umsetzung bräuchte es einen verantwortlichen Dozenten/In, die/der sich dessen annimmt. „Die Hildesheimer Wallungen“ finden nur alle zwei Jahre statt und die Studierenden würden einen Kurs dazu nur ein Semester oder zwei Semester lang belegen, das heißt die Arbeitskräfte dort wechseln ständig. Durch die Konstante der/des DozentIn, die/der mit Abläufen innerhalb des Festivals bereits vertraut ist, würde eine Einweisung neuer Helfer deutlich schneller passieren und Projekte, die neu angefangen wurden, effektiv und effizient weitergeführt werden.
Herzlichen Dank an Mareike Lehne und Jana Dömming, für die Unterstützung der Recherche.
Literaturhinweise
Isabel Pufé (2014): „Was ist Nachhaltigkeit? Dimensionen und Chancen“. In: Bundeszentrale für
politische Bildung (2014): Aus Politik und Zeitung – Nachhaltigkeit (APuZ). Jahrgang 64, S.16.
EnergierAgentur.NRW.: Aus: Handlungsfelder Klimaneutrale Veranstaltungen. In: Klimaneutrale
Veranstaltungen – ein Ratgeber (2014). Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 4f
Lexikon der Nachhaltigkeit: „Drei Säulen Modell“. Aus: „Was ist eigentlich
Nachhaltigkeit?“ (2015); Herausgeber: Industrie und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken;
Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie;
unter: https://www.nachhaltigkeit.info/infos/lexikon_info.html
Cup Concept Mehrwegsysteme GmbH; unter: cupconcept.com
IQ Interessengemeinschaft Kultur Hildesheim e.V.; unter: https://iqhildesheim.com
BASSLINER Projekt! (2007 – 2018); BASSLINER.ORG c/o Citytainment UG;
AMN Data Solution #452637; unter: https://bassliner.org